Im Zuge der aktuellen Diskussionen, von Feinstaubbelastung bis hin zur Energiewende, ist das Schlagwort “Dekarbonisierung” kaum wegzudenken. Für so manchen Betriebsrat oder GewerkschaftsfunktionärIn scheint die Dekarbonisierung sogar die größere betriebliche Herausforderung als die Digitalisierung zu sein. Doch die beiden großen “D”s müssen zusammen betrachtet werden.

 

“EASCY – electrified, autonomous, shared, connected, yearly updated”

…das beschreibt PricewaterhouseCoopers in einem 2017 veröffentlichten Szenario als die Zukunft der Automobilität. (Zusammenfassung der Studie auf Deutsch [PDF]). EASCY, das steht für elektrisch, autonom, gemeinsam genutzt, mit dem Internet verbunden und jährlich neue Automodelle. Für PwC ist klar: die Dekarbonisierung der Fortbewegung ist nur ein Baustein in ein einem sehr komplexen Wandel, der die Automobilbranche in den nächsten zehn Jahren betreffen wird.

Dekarbonisierung – was ist das?

Dahinter verbirgt sich die Umstellung auf eine möglichst kohlenstoffarme bis kohlenstofffreie Wirtschaft. Das betrifft natürlich in erster Linie den Energiesektor aber auch die Automobilindustrie, deren Verbrennungsmotoren einen großen Anteil am Ausstoß von Kohlenstoff haben. Während die de- oder entkarbonisierung des Energiesektors schon seit einigen Jahren unter dem Begriff “Energiewende” relativ geräuschlos verläuft, ist das bei der Automobilindustrie nicht zu erwarten. Gerade weil in Deutschland so viele Jobs von der hiesigen Automobilindustrie und ihren Verbrennungsmotoren abhängen, werden hier große Verwerfungen erwartet.

Spätestens mit dem Dieselskandal ist die Umweltverträglichkeit von Verbrennungsmotoren in der öffentlichen Debatte angekommen. Neben der beschädigten Reputation haben vor allen die Fahrverbote für Dieselautos bei VerbraucherInnen, Politik und Wirtschaft ein Umdenken ausgelöst. Die meisten Hersteller werden in den kommenden Jahren verstärkt auf E-Mobilität setzen. Volvo kündigte bereits für 2019 an, nur noch Autos ohne Verbrennungsmotor entwickeln zu wollen. Für VW soll es im Jahr 2026 soweit sein. Doch wer bei der Umweltbilanz nicht nur den Verbrauch sondern auch die Herstellung der E-Autos im Vergleich zu Verbrennungsmotoren heranzieht, sieht ein durchaus differenziertes Bild. Das E-Auto überholt den Verbrennungsmotor erst nach 150.000 Kilometern und muss dafür mindestens zehn bis zwölf Jahre auf der Straße unterwegs sein. Diese Zahlen werden in den nächsten Jahren sinken, wenn der Anteil an erneuerbaren Energien in der Gesamtwirtschaft steigt, aber vorerst trägt das Elektroauto einen großen ökologischen Rucksack mit sich.

 

Digitalisierung

Elektroautos wie Tesla und Co. sind nicht nur auf Grund des ökologischen Fußabdrucks interessant. Ein mindestens ebenso wichtiger Punkt stellen die elektronischen Assistenzsysteme, allen voran das autonome Fahren, dar. Gerade das “Wunderkind” Tesla spricht wenig vom umweltbewussten Fahren, dafür umso mehr von einem ganz neuen Fahrgefühl. Serviceupdates an der Software des Autos laufen nicht mehr über die Werkstatt, sondern werden in der Nacht und in der heimischen Garage aufgespielt. Große Bildschirme und eine ständige Internetverbindung vermitteln das Gefühl von Zukunft. Und durch BigData, dem Zusammenspiel von Sensoren, Verkehrsdaten, Navigationssysteme und Analysesoftware rückt das “fahrerlose Auto” in greifbare Nähe.

 

Dekarbonisierung und Digitalisierung – zwei Seiten einer Medaille

Ob nun im Energiesektor oder in der Automobilbranche, Dekarbonisierung und Digitalisierung gehen Hand in Hand. Es nützt niemanden, wenn Gewerkschaften oder Betriebsräte darüber streiten welche der beiden Entwicklungen gerade den größeren Wandel nötig macht. Die entscheidende Frage ist, wie kann der Wandel so gestaltet werden, dass auch nach der Disruption noch gute Arbeit vorhanden ist? Wie kann betriebliche Mitbestimmung erhalten bleiben? Wie kann die Balance organisiert werden zwischen technologischem Fortschritt, Umweltschutz und ArbeitnehmerInneninteressen? Auf diese Fragen gilt es Antworten zu geben.

Die IG Metall will sich diesen Fragen stellen. Geplant ist im zweiten Quartal 2019 einen Fahrplan vorzustellen. Denn nur wenn die ArbeitnehmerInnen an diesem Prozess beteiligt sind, kann die Digitalisierung eine Erfolgsgeschichte werden.

 

 

 

Ryan Searle